Hafermilch

Marie Ueckeroth

Vegan, laktosefrei, nahrhafter als Soja- und Reismilch: „Hafermilch“ scheint auf den ersten Blick der beste Milchersatz zu sein. Aber wie gesund und nachhaltig ist ein Haferdrink wirklich?

Hafermilch wird im Grunde genommen nur aus Haferflocken und Wasser hergestellt. Dazu werden die Flocken in Wasser eingeweicht und püriert. Nach einer kurzen Fermentationsphase wird der Haferbrei gefiltert – die entstehende Flüssigkeit ist die Hafermilch. Bei der industriellen Verarbeitung werden anschließend noch Zusatzstoffe wie etwa Kalzium oder Stabilisatoren hinzugefügt, und das Produkt durch Ultrahocherhitzen haltbar gemacht.

Der Saat-Hafer (Avena sativa L.) ist eine der meistkultivierten Hauptgattungen des Hafers und gehört zur Familie der Süßgräser (Poaceae) [1.1, 1.2]. Er wird als Getreide vor allem in Russland, Nordamerika und Nordeuropa angebaut, da hier die Klimakonditionen nachweislich optimal sind [1.3]. Hafer eignet sich gut für die Züchtung, da unterschiedliche Sorten diverse Gehalte an verschiedenen sekundären Pflanzeninhaltsstoffen aufweisen [1.1, 1.3].

Die mediale Bewerbung von Hafer und verarbeiteten Erzeugnissen wie Haferflocken oder Hafermilch sind durchweg positiv. Jene werden in der allgemeinen Literatur wiederholt mit Schönheit, Fitness und Diäten in Verbindung gebracht [1.4]. So werden präventive Auswirkungen auf verschiedene Krankheiten verzeichnet und therapeutische und dermatologische Effekte beschrieben [1.5]. Allerdings sind die Literaturstellen vorwiegend nicht deckungsgleich mit der Wissenschaft. Häufig basieren die Aussagen auf in- vitro Studien wodurch eine wissenschaftliche Aussage über Anwendungsempfehlungen und den dazugehörigen Wirkungen nicht gegeben ist. Darüber hinaus werden evidenzbasierte Aussagen fehlinterpretiert und teilweise zusammenhangslos oder aus zweifelhaften Studien wiedergegeben. Hier wird oftmals nicht berücksichtigt, inwieweit die Produkte verarbeitet sind oder als Rohmaterial vorliegen. Diese Unterscheidung hat Auswirkungen auf die Absorption und ist deshalb relevant. Der Zusammenhang zwischen Produktion, Inhaltsstoffen und pharmakologischen Aktivitäten wird nicht deutlich differenziert [1.6]. 

Durch die Verarbeitung gehen viele Inhaltsstoffe wie z.B. essentielle Aminosäuren, Mineralstoffe wie Kalium oder Magnesium und Ballaststoffe verloren. Hafermilch hat daher keinen besonders hohen Nährstoff-Gehalt mehr, überzeugt aber mit den Beta-Glucanen, einer speziellen Zuckerart, welche hilft die Verdauung zu regulieren. Hafermilch enthält mit nur rund zwei Prozent deutlich weniger Fett als Kuhvollmilch. Doch der Milchersatz aus Getreide ist trotzdem ein echter Energielieferant: Die in den Körnern enthaltene Stärke bleibt auch im Haferdrink erhalten wodurch sich, je nach Produkt, ein Kilokalorie-Gehalt von 40 – 60 kcal pro 100ml ergibt [1.1, 1.3].

Im Folgenden wird die Hafermilch von Oatly, einem nachhaltigen Unternehmen, welches versucht, seinen CO2-Fußabdruck möglichst gering zu halten, und eine normale Vollmilch mit 3,5% Fett verglichen. Die Firma und die damit verbundene Forschungsgruppe Carbon Cloud führte die Untersuchungen durch und erstellte das Modell. Somit stammen die Zahlen nicht von Oatly selbst. Das Modell von CarbonCloud basiert auf zwanzig Jahren Forschung und wurde im Zusammenhang mit einer Vielzahl wissenschaftlicher Publikationen überprüft [1.7].

Bild 2: Oatley Vergleich Kuhmilch vs. Hafermilch

Verglichen werden hier die verschiedenen Elemente der Produktkette mit den Kohlenstoffäquivalenten CO2e. Somit können alle verschiedenen Auswirkungen der unterschiedlichen Gase besser miteinander in einen Zusammenhang gebracht werden. In diesem Diagramm fällt auf, dass die größten Umweltsünder nicht die Produktion, die Verpackung oder der Transport sind, sondern mit Abstand der „Farm“-Schritt. Also die Erzeugung des Rohstoffs, der für die weitere Verarbeitung des Produkts benötigt wird. 
Wegen des höheren Flächenbedarfs ergeben sich im Ökolandbau höhere Netto-Emissionen von Treibhausgasen. Diese werden ohne eine Senkung des Verbrauchs an Nahrungsmitteln stark ansteigen. Grund: Die Produktion verlagert sich auf weniger produktive Standorte ins Ausland oder es würden neue Flächen genutzt. „Indirekt führt dies zu höheren CO2-Emissionen”, fand der schwedische Forscher Stefan Wirsenius in einer viel diskutierten Nature-Studie heraus.
Die Vollmilch schneidet nur mit minimalen Unterschieden im Bereich der Produktion, Verpackung und Transport, besser ab als die Hafermilch. Insgesamt ist die Hafermilch im CO2e-Vergleich deutlich Ressourcenschonender als die Vollmilch.
Es zeigt sich, dass es für die nachhaltig handelnden Unternehmen nicht einfach ist, alle Eigenschaften der verschiedenen Dimensionen gleichzeitig in einem Lebensmittel zu vereinen [1.7]. 

In der folgenden Abbildung wurden neben den Treibhausgasemissionen auch der Wasserverbrauch, die Gewässerbelastung und die Landnutzung für Kuhmilch, Sojadrink, Mandeldrink, Reisdrink und Haferdrink dargestellt. Da Mandel- und Reisdrink der Wasserverbrauch sehr hoch ist schneidet auch hier die Hafermilch, aber auch die Sojamilch, insgesamt besser ab. Die Mengen der Treibhausgasemissionen oder auch des Wasserverbrauchs können in Studien variieren, je nachdem woher der Produzent seine Rohstoffe bezieht. Zum Beispiel ob der Soja aus Europa oder Südamerika stammt oder wie die Kühe gehalten werden. Trotzdem ist immer wieder zu erkennen, dass die Kuhmilch die höchsten CO2 Emissionen verursacht und im Verhältnis schlechter abschneidet [1.8]

Bild 3: Umweltbilanz von Milch & Milchalternativen

Hafermilch enthält keine Laktose, kein Milcheiweiß und keine Bestandteile von Soja, dafür aber relativ viele Ballaststoffe, die vergleichsweise satt machen. Für alle, die an einer Unverträglichkeit oder Allergie gegen einen dieser Stoffe leiden, ist die Hafermilch ein guter Milchersatz, der nicht ungesund ist. Zusätzlich ist die Getreidemilch frei von Cholesterin und hilft damit, den Cholesterinspiegel zu senken [1.1, 1.3].

Allerdings enthält die Getreidemilch aus Hafer Gluten – für Zöliakie-Patienten oder Personen, die sich glutenfrei ernähren wollen oder müssen, ist der Haferdrink daher nicht geeignet. Mittlerweile stehen aber auch glutenfreie Hafermilch Sorten zur Verfügung. 

Pure Hafermilch ohne Zusatzstoffe wird auch von Babys und Kleinkindern gut vertragen. Da der Haferdrink aber keinerlei Kalzium enthält, ist speziell bei Kindern im Wachstum eine ausschließliche Ernährung damit nicht sinnvoll. Zusätzlich sind in industriell hergestellter Hafermilch oft viel Zucker, Emulgatoren und sonstige Zusatzstoffe enthalten, die den Milchersatz schnell ungesund machen [1.9].

Insgesamt zeigt sich, dass die Hafermilch eine gute, gesunde und nachhaltige Milchalternative darstellt. Beim Kauf sollte aber dennoch ein genauerer Blick auf die Inhaltsstoffe vorgenommen werden, da sich an dieser Stelle auch kleine „Dickmacher“ und ungesunde Zusatzstoffe einschleichen können.

Literatur

[1.1] Multari S, Pihlava JM, Ollennu-Chuasam P, et al.: Identification and Quantification of Avenanthramides and Free and Bound Phenolic Acids in Eight Cultivars of Husked Oat (Avena sativa L) from Finland. J. Agric. Food Chem 2018; 66: 2900-2908. doi: 10.1021/acs.jafc.7b05726

[1.2] Yong-Bi Fu: Oat evolution revealed in the maternal lineages of 25 Avena species. Scientific Reports 2018; 8: 4252. doi: 10.1038/s41598-018-22478-4

[1.3] Murariu D,  Placinta DD, Germeier CU, et al.: Quality Characteristics of European Avena Genetic Resources Collections. Romanian Agricultural Research 2013; 30: 1222-4227.

[1.4] https://www.harpersbazaar.de/beauty/haferflocken(01.06.2021); https://www.womenshealth.de/food/gesunde-ernaehrung/gute-gruende-taeglich-eine-portion-haferflocken-zu-essen/ (01.06.2020); https://www.fitforfun.de/news/das-passiert-wenn-man-jeden-tag-haferflocken-isst-269895.html (03.06.2020)

[1.5] https://schnelleinfachgesund.de/haferflocken/#Weitere_Pflanzenstoffe (03.06.2021)

[1.6] Singh et al.: Avena Sativa (oat), a Potential Neutraceutical and Therapeutic Agent: An Overview. Crit Rev Food Sci Nutr. 2013; 53(2):126-144. doi: 10.1080/10408398.2010.526725

[1.7]CarbonCloud AB (2019): Report: The Climate Foot-Print of average Cow Milk, online verfügbar unter https://www.oatly.com/uploads/attachments/ck16jjtm404ndbggihpv5skso-report-the-climate-footprint-of-average-cow-milk-carboncloud-190915.pdf (01.05.2021)
[1.7]CarbonCloud AB (2019): Report: The Climate Footprint of enriched Oat Drink Ambient, online verfügbar unter https://www.oatly.com/uploads/attachments/ck16jh9jt04k9bggixfg6ssrn-report-the-climate-footprint-of-enriched-oat-drink-ambient-carboncloud-20190917.pdf (01.05.2021)

[1.8] Poore J., Nemecek T., (2018): Reducing food’s environmentalimpacts through producersand consumers. In: Science 360, S. 987-992. DOI: 10.1126/science.aaq0216.

[1.9] https://utopia.de/ratgeber/hafermilch-haferdrink-milchersatz/(06.06.2021)

Bild © 1: https://www.pexels.com/de-de/foto/lebensmittel-dammerung-getrank-glas-4187717/
Bild © 2: s.o. [1.7]
Bild © 3: https://www.quarks.de/gesundheit/ernaehrung/sind-milchalternativen-gesuender-und-umweltfreundlicher

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