Beerenhunger auf heimische Früchtschen

Als Wundermittel für die Gesundheit angepriesen und als heimisches Nährstoffpaket gefeiert: Heidelbeeren erfreuen sich wachsender Beliebtheit, sind jedoch nur wenige Wochen aus heimischem Anbau erhältlich. Ab Juni gilt es, den Beerenhunger zu stillen – ob pur, in Süßspeisen oder Gebäck.

Die Heidelbeere (Vaccinium) gehört in die Familie der Heidekrautgewächse. Es gibt bis zu 500 verschiedene Arten, von denen über 100 seit dem 20. Jahrhundert kultiviert wurden. Die bekanntesten Vertreter sind die in Europa und Asien wachsende Waldheidelbeere (Vaccinium myrtillus) – auch Blaubeere genannt – und die nordamerikanische Heidelbeere (Vaccinium corymbosum). Durch Züchtung und Kreuzung mit nordamerikanischen Arten sind die heute auch bei uns angebauten Kulturheidelbeeren entstanden. Die Waldheidelbeere unterscheidet sich von der kultivierten Verwandtschaft durch ihr intensiv bläuliches Fruchtfleisch. Wer sich im Wald schon einmal auf die Suche begeben hat, kennt es: Beim Genuss der wilden Beeren verfärben sich Zunge und Zähne blau. Bei der Kulturbeere hat nur die dünne Schale einen bläulichen Farbton, das Fruchtfleisch ist weiß. Außerdem sind die gezüchteten Beeren etwa zwei- bis dreimal so groß wie die aromatischeren Waldheidelbeeren. Auch die Sträucher unterscheiden sich deutlich im Wuchs: Während sich das Pflücken bei den niedrigen Sträuchern der wilden Beeren mühsam gestaltet, lassen sich die Kulturfrüchtchen von den bis zu drei Meter hochwachsenden Zuchtsträuchern deutlich leichter ernten.

Heimisches Superfood

Die kleinen Beeren bestehen zu etwa 85 Prozent aus Wasser und stecken dennoch voller Nährstoffe. Heidelbeeren enthalten etwa 14 Prozent Kohlenhydrate, davon sind etwa drei Prozent Ballaststoffe. Fructose und Glucose machen zusammen etwa sieben Prozent der Süße aus, hinzukommt ein Prozent Saccharose. Der Fett- und Eiweißgehalt ist gering. Die Kulturbeere liefert mehr Kalium und Magnesium als ihre wilde Verwandtschaft. Bei den Nährstoffen Phosphor, Vitamin E liegt dagegen die Waldheidelbeere etwas vorn; ihr Gehalt an Vitamin C ist mit 30 Milligramm mehr als doppelt so hoch.

Den Superfood-Status haben Heidelbeeren aufgrund ihres hohen Gehalts an sekundären Pflanzenstoffen inne. Reichlich enthalten sind sogenannten Anthocyane: Etwa sechs Milligramm stecken in 100 Gramm. Die sekundären Pflanzenstoffe gehören zur Gruppe der Polyphenole und sind für die blaue Färbung der kleinen Früchte verantwortlich. In der Wildform ist der Gehalt an Anthocyanen höher als in den kultivierten Beeren. Das liegt vor allem daran, dass in der Waldheidelbeere die Anthocyane nicht nur in der Schale, sondern auch im Fruchtfleisch gespeichert werden. In der Kulturheidelbeere dient dagegegn nur die Haut als Speicherort. Die Beeren liefern daneben noch andere Polyphenole und Gerbstoffe.

Den Anthocyanen werden verschiedene gesundheitsfördernde Effekte nachgesagt. In ihrer Rolle als Radikalfänger schützen sie Körperzellen beispielsweise vor oxidativem Stress. Außerdem haben die sekundären Pflanzenstoffe einen antientzündlichen Effekt. Epidemiologische Studien deuten darauf hin, dass ein hoher Verzehr von Polyphenolen vor koronarer Herzerkrankung, verschiedenen Tumor- und chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen schützen könnte. Eine Arbeitsgruppe aus Zürich stellte fest, dass ein Heidelbeerextrakt die entzündungsfördernde Wirkung bestimmter Zytokine in menschlichen Immunzellen abschwächen kann. Untersuchungen wiesen zudem antibakterielle, antivirale und neuroprotektive Eigenschaften von Anthocyanen nach. Die Befunde erklären, warum die blauen Beeren gerne mit dem Etikett „supergesund“ vermarktet werden.

Bio macht den Unterschied

Eine Studie aus den USA hat ökologisch und konventionell angebaute Kulturheidelbeeren auf den Gehalt verschiedener Nährstoffe und sekundärer Pflanzenstoffe analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass biologisch angebaute Kulturheidelbeeren mehr Phenole und Anthocyane aufwiesen, auch die Zuckerbausteine Fructose und Glucose lagen in höheren Konzentrationen vor. Allerdings variierte der Gehalt an Anthocyanen und Phenolen je nach Farm. Die Forscher vermuten, dass die Polyphenole von äußeren Einflüssen wie Wasserversorgung, UV-Strahlung oder der Verfügbarkeit von Nährstoffen im Boden abhängen.

Kurze heimische Saison

Heidelbeeren haben in unseren Breiten zwischen Juni und September Saison. In den Supermärkten stehen sie mittlerweile jedoch ganzjährig im Regal. Außerhalb der heimischen Erntezeit kommen sie aus Südamerika oder Nordafrika. Auch in Bioläden gibt es im Frühjahr und Herbst Importware aus Übersee oder Südeuropa. Generell findet man hierzulande im Supermarkt eher Kulturheidelbeeren, sowohl konventionelle als auch ökologische. Frische Wildbeeren aus Deutschland sind aufgrund des hohen Arbeitsaufwands und ihrer besonderen Empfindlichkeit kaum erhältlich.

Wer lieber Waldheidelbeeren genießen möchte, wird eventuell auf dem Wochenmarkt fündig oder muss selbst zum Sammeln losziehen. Die niedrigen Sträucher wachsen vor allem in nährstoffarmen Nadelwäldern und Heiden. Die Ernte vorsichtig, aber gründlich waschen und wegen der Gefahr von Fuchsbandwürmern nicht roh verzehren. Am besten schmecken die gewaschenen Beeren von der Hand in den Mund. Klassiker sind Muffins oder Pancakes mit den blauen Früchtchen. Auch im Salat sind sie eine leckere Ergänzung.

Beeren aus dem Eis

In der Tiefkühlabteilung gibt es die beliebten Früchtchen das ganze Jahr über, auch ökologisch erzeugte. Hierbei handelt es sich meistens um Waldheidelbeeren, die frisch geerntet für den Transport in den Handel zu empfindlich sind. Nach den Leitsätzen für Obsterzeugnisse müssen Tiefkühlprodukte der bei uns heimischen Art Vaccinium myrtillus als Heidelbeeren, Blaubeeren oder Waldheidelbeeren bezeichnet und Produkte der Vaccinium corymbosum als Kulturheidelbeeren gekennzeichnet werden. Der Begriff Wildheidelbeere wird ebenfalls häufig verwendet, ist jedoch rechtlich nicht geschützt. Tiefgekühlte Heidelbeeren können den Speiseplan bereichern, wenn sie aus heimischer Ernte gerade nicht verfügbar sind. Wer lange Transportwege vermeiden möchte, sollte auf das Ursprungsland achten, da auch Tiefkühlbeeren häufig aus weit entfernten Ländern wie Kanada oder China kommen können.

Quellen

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Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2008): Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuch für Obsterzeugnisse.

Može, Špela et al (2011): Phenolics in Slovenian Bilberries (Vaccinium myrtillus L.) and Blueberries (Vaccinium corymbosum L.). Journal of Agricultural and Food Chemistry 59: 6998-7004.

Orthofer, Silvia (2010): Ernährungsphysiologische Beurteilung von Lebensmitteln aus biologischer m Vergleich zu konventioneller Produktion. Diplomarbeit, Universität Wien. Fakultät für Lebenswissenschaften. BetreuerIn: Rust, Petra.

Schweiger, Franziska & Haas, Rainer (2020): Die Nahrung der Optimisten. Eine Motivstudie zu Superfood und Nahrungsergänzungsmitteln. Wiesbaden: Springler Gabler Verlag.

Traunbauer, Tanja (2016): Die Bedeutung pflanzlicher Lebensmittel als „Superfood“. Eine Analyse ausgewählter Beispiele mit dem Schwerpunkt „Samen und Beeren“. Diplomarbeit, Universität Graz. Institut für Pflanzenwissenschaften. Begutachterin: Frau Ao. Univ.-Prof. Dr. phil. Maria Müller.

Verbraucherzentrale (2020): Wildheidelbeeren oder Kulturheidelbeeren? Online unter:  https://www.lebensmittelklarheit.de/forum/wildheidelbeeren-oder-kulturheidelbeeren (11.03.2021)

Wang, Shiow Y et al (2008) Fruit quality, antioxidant capacity, and flavonoid content of organically and conventionally grown blueberries. Journal of Agricultural and Food Chemistry, 56: 5788-5794.

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Wikipedia (2021): Heidelbeere. Online unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Heidelbeere (11.03.2021)

Wikipedia (2021): Kulturheidelbeeren. Online unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Kulturheidelbeeren (11.03.2021)

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