Fett macht Fett?! Mythos oder Wahrheit- eine ernährungswissenschaftliche Analyse

Es scheint als müsse es immer einen nutritiven Schuldigen geben, wenn die Hose kneift. Gerade jetzt, wo der Sommer anzuklopfen naht, überlegen viele Menschen, auf welche Lebensmittel sie wohl am besten verzichten, um noch ein paar Kilos abzunehmen. Dabei ist der Makronährstoff Fett schon lange auf der Liste der vermeintlichen Dickmacher. Steckt ja schließlich schon im Namen… Doch macht Fett wirklich fett? Oder anders: Führt der Konsum von Nahrungsfett zwangsläufig zu Übergewicht?

Ein kurzer Grundlagencheck:

Fett ist nicht gleich Fett! Egal ob aus tierischer oder pflanzlicher Quelle: entscheidend sind die Fettsäuren und ihre Zusammensetzung, aus denen das Fett eines Lebensmittels besteht.
Grob lässt sich unterteilen in gesättigte (GFS) und ungesättigte (UFS) Fettsäuren. GFS kommen hauptsächlich in tierischen Produkten vor und sind eine gute Energiequelle. Die UFS lassen sich wiederum unterteilt in die einfach (EUFS) und mehrfach (MUFS) ungesättigt. Ohne darauf näher eingehen zu wollen, hat dies mit der Anzahl der Doppelbindungen im Molekül und der daraus resultierenden Form der langen Kette aus Kohlenstoffatomen zu tun, aus der eine FS im Wesentlichen besteht. GFS sind gerade und unelastisch, wodurch sie für die Festigkeit der Produkte sorgen (z.B. Butter). Dagegen haben UFS durch jede C=C Verbindungen quasi einen Knick, was dazu führt, dass sich diese FS nicht so eng zusammenpacken können und Öle, z.B. aus Oliven oder Raps, flüssig sind. In unserem Körper dienen sie unter anderem als Baustoff jeder einzelnen Zelle. Und auch die MUFS unterscheidet man noch einmal in Omega-3, -6 oder -9 FS, wovon einige für den Mensch essentiell sind.

Empfehlungen laut der D-A-CH Empfehlung 2018

Gesamtfettzufuhr30-35% der Gesamtenergie
Gesättigte FettsäurenMaximal 1/3 der Fettzufuhr, 10 % Gesamtenergie
Einfach ungesättigte Fettsäuren + mehrfach ungesättigt2/3 derFettzufuhr, 20% der Gesamtenergie
TransfetteSo wenig wie möglich


Ein Gramm Fett liefert mit 37,7 Kilojoule (kJ), was neun Kalorien (kcal) entspricht. Im Körper werden die Triglyceride, also die Nahrungsfette, in Glycerin und Fettsäuren gespalten.

Faktencheck:

Dass GFS die Cholesterinwerte erhöhen und UFS gesünder sind, ist schon lange kein Geheimnis mehr.
Beeindruckend jedoch, dass niemand zu wissen scheint, dass UFS sogar das Gegenteil bewirken können. Die Forschung hat gezeigt, dass nicht nur die Gewichtszunahme betrachtet werden darf, wenn man Effekte unterschiedlicher Fettsäuren bewerten möchte. Besonders Leber- und Viszeralfett sind von großer klinischer Relevanz und erhöhen das Risiko für Stoffwechselerkrankungen, Insulinresistenz und Diabetes Typ-2 in Korrelation mit Übergewicht und Adipositas. Von Interesse ist also, welche Speisefettarten die Entstehung dieser Fettgewebe fördern. Man verglich gesättigte und ungesättigte Fettsäuren, wobei zweitere favorabel abschnitten. GFS erhöhen das LDL-Cholesterin im Blut stärker als UFS. Vor allem in großen Mengen wirken sie schädlich auf das Herz-Kreislaufsystem und führen zu einer Zunahme des Körperfetts generell. UFS hingegen haben weniger Einfluss auf das LDL-Cholesterin und gelten daher als gesünder. MUFS senken sogar aktiv die Cholesterinspiegel und werden mit der Abnahme des Körperfetts, bzw. der Zunahme fettfreier Masse im Körper in Verbindung gebracht.

Wie schon erwähnt brauchen wir Fette aus der Nahrung. Sie erfüllen zahlreiche Aufgaben in unseren Körpern, u.a. als Speicher, Energiequelle, zum Schutz der Organe und Isolation, als Co-Faktor physiologischer Vorgänge, wie die Aufnahme von Vitaminen und Baustoff für Zellmembranen. Gerade diese müssen fluide sein um den Stoffaustauch zwischen intra- und extrazellulären Räumen zu gewährleisten. Werden hier nun vermehrt starre GFS eingebaut, weil nicht genug flexible UFS zu Verfügung stehen, kann man sich leicht vorstellen, dass auch die Zellwände erstarren können, wodurch der Stoffaustausch eingeschränkt wird.

Oft hört man auch von MCTs und deren gesundheitsfördernden Wirkung. Hierbei handelt es sich um GFS, z.B aus Kokosöl, mit einer Kohlenstoffkette mittlerer Länge. Sie sollen metabolische Funktionen verbessern und Darmbakterien positiv beeinflussen. Zusätzlich sollen sie den Glukose- und Lipidmetabolismus regulieren. Tatsächlich scheinen sie sehr zuträglich für die Verdauung zu sein, wissenschaftlich fundiert lässt sich hier allerdings noch keine abschließend gesicherte Aussage treffen.

Zu bedenken ist allerdings, dass niemand pures Öl oder Fett zu sich nimmt und zu viele demographische, sozio-ökonomische, physische und psychische Faktoren individuell eine Rolle spielen. Daher sind Humanstudien im Bereich Ernährung und Gesundheit nur schwer durchführbar und gleichzeitig kann man Studienergebnisse an Tieren und nichtmenschlichen Primaten nicht eins zu eins auf den Menschen übertragen.

Welches Fett ist nun wirklich schlecht?

Es gibt jedoch ein Sorte Fett, die wir wirklich meiden sollten: die Transfette.
Transfettsäuren in der Nahrung sind EUFS mit einer speziellen chemischen Konfiguration durch Umlagerung von Wasserstoffatomen, wodurch die Doppelbindung bestehen bleibt, jedoch der Knick verschwindet. Sie entstehen entweder bei der industriellen Härtung von Ölen oder im Magen von Wiederkäuern. Flüssige Öle werden so streichfähig bis hart und sind deshalb oft als „gehärtete Fette“ auf Produkten gelistet.
Diese Fette führen tatsächlich zu einem weiteren Taillenumfang und signifikanter Gewichtszunahme. Des Weiteren fördern Transfettsäuren auch Entzündungen. Mit steigender Aufnahme von Transfetten erhöhten sich in einer Studie auch die Entzündungsmarker im Blutplasma.

Low Fat Diät

Der schlechte Ruf des Fetts führte schon vor Jahrzehnten zu einem neuen und noch anhaltenden Trend: low-fat, als Diät und als Produkte zu kaufen. Doch die Menschen wurden seitdem nicht dünner, sondern dicker und kränker. Das liegt u.a. daran, dass der Fettanteil in den meisten Fällen durch verarbeitete einfache Kohlenhydrate ersetzt wird. Mehrere Studien weisen darauf hin, dass genau diese Substitution der Schlüssel zur Gewichtszunahme ist. Eine Diät mit einer reduzierten Menge an Kohlenhydraten und erhöhten Menge an Fett, also einer Low-Carb-, high-fat-Diät, kann durchaus effektiv sein, um das Ziel einer Gewichtsreduktion zu erreichen. Weiterhin kann auch durch eine solche Diät, beziehungsweise Ernährungsweise, der Blutzucker besser kontrolliert und Hyperinsulinismus reduziert werden.

An dieser Stelle wichtig zu erwähnen ist, dass nicht nur Nahrungsfett betrachtet werden darf! Gespeichertes Körperfett bzw. die Fettzellen (Adipozyten) sind stoffwechselaktiv. Das bedeutet, dass diese Zellen Hormone, beispielsweise Leptin, welches unser Hunger- und Sättigungsempfinden steuert, und andere (entzündungsfördernde) Botenstoffe ausschütten. Dabei gilt: je mehr Adipozyten, desto mehr Ausschüttung. Dieser Mix führt im Gehirn sozusagen zu Verwirrung zwischen „Hunger“ und „Satt“, was zur Folge hat, dass man mehr isst, als nötig und gut tut.

Fazit

Fette sind durchaus wichtige Energielieferanten und Baustoffe für den Körper und sorgen zudem für die Verfügbarkeit wichtiger Stoffe, wie die Vitamine A, D, E und K.
Vielmehr ist es der gesamte Lebensstil, inklusive bestimmter Ernährungsmuster, der zu Übergewicht und auch Adipositas führt. Hier sind vor allem Bewegungsmangel und der Konsum von zu vielen hochverarbeiteten, sowie tierischen Lebensmitteln zu nennen. Eine Diät, wie „low-fat“ ist auf lange Sicht kaum durchhaltbar und auch nicht sinnvoll.
Was den Appell zur Vermeidung von Transfetten allerdings angeht, ist die Wissenschaft sich einig. Nun gilt es, diese Erkenntnisse auch offiziell und öffentlich stärker zu verkünden oder sie, wie in den USA, gar zu verbieten, damit der Mythos “Fett macht Fett” überholt, revidiert und in Wissen umgewandelt werden kann.


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