Hilft Kokosöl beim Abnehmen?

Hilft Kokosöl beim Abnehmen?

von David Emmert 

Für so manche gilt Kokosöl als Wundermittel gegen überschüssige Pfunde. Oftmals werden jedoch keine Belege, sondern nur Behauptungen angeführt. Fragen wir uns also: Ist es tatsächlich erwiesen, dass Kokosöl beim Abnehmen hilft?

Gibt man die Worte „Kokosöl“ und „abnehmen“ in die Suchmaschine mit dem großen „G“ ein, so erhält man weit über 700.000 Treffer. Darunter befinden sich u.a. YouTube-Videos und Artikel von Kokosölvertreibern. Auch diverse Lifestyle-Magazine warten mit Artikeln zu diesem Thema auf. In einem  Kurzbeitrag (1) auf instyle.de wird Leserschaft erklärt, dass „durch dieses natürliche Öl der Stoffwechsel bis zu 24 Stunden lang angeregt“ werden könne. Was damit genau gemeint ist, bleibt leider unklar. Auch die Fettverbrennung profitiere vom Kokosölverzehr – angeblich lässt sie sich mit dessen Hilfe um das Dreifache erhöhen. Außerdem könne Kokosöl verhindern, dass vom Körper Fett eingelagert wird und den Appetit auf natürliche Art und Weise zügeln. Kein Wunder also, dass der Artikel zu dem Schluss kommt, dass Kokosöl, sofern „in Maßen“ verzehrt, als „echter Fatburner“ wirkt. Obwohl in der ersten Zeile des Artikels zwar davon gesprochen wird, dass all dies durch Untersuchungen belegt sei, werden leider keinerlei Quellen für die getätigten Aussagen angegeben. 

Auf der informativ anmutenden Seite kokosoel.info (2) wird minimal bessere Quellenarbeit geleistet. Diese Seite verspricht Abnehmwilligen sogar langfristige Erfolge, die nicht wie bei anderen Diäten dem Jo-Jo-Effekt zum Opfer fallen sollen. Die magische Komponente von Kokosnussöl seien die sogenannten mittelkettigen Triglyzeride, auch MCTs abgekürzt. Diese würden dafür sorgen, dass der Organismus durch Keton-Körper, die bei der Verstoffwechslung von MCTs entstehen, Energie bekommt – und das völlig ohne einen Anstieg des Blutzuckerspiegels. In Verbindung mit Bewegung führe dies zu einem gesteigerten Energieverbrauch. Bei einer gleichbleibenden Energiezufuhr könne man so durch den Verzehr von Kokosöl die Grundlage für eine Gewichtsabnahme schaffen. Diese ist rein physikalisch betrachtet nur dann möglich, wenn weniger Energie zugeführt als verbraucht wird, wie zu Beginn des Artikels richtigerweise angemerkt wird.

Am Ende des Artikels wird schließlich auf wissenschaftliche Belege für diese Effekte eingegangen. Eine Studie von Dr. Ian Prior über ein pazifisches Inselvolk aus den 1960er Jahren wird hier als Beleg angeführt, jedoch nicht direkt zitiert. Es kann also nur gemutmaßt werden, auf welche Studie sich hierbei genau bezogen wird, da Dr. Ian Prior (Co-)Autor einer Vielzahl von Studien ist, die sich mit Naturvölkern im Pazifikraum beschäftigt haben. Eine dieser Studien stammt aus dem Jahr 1969 und erschien im hoch renommierten American Journal of Clinical Nutrition. Diese Studie  (3) legt allerdings nicht nahe, dass Kokosöl der entscheidende Faktor für ein gesundes Körpergewicht der untersuchten Polynesier war, sondern analysierte lediglich die Zusammensetzung der Fettsäuren im Fettgewebe der Probanden sowie deren Blutfettwerte. Auf das Körpergewicht der untersuchten Population wird dort mit keiner Silbe eingegangen. Da es sich hierbei um eine sogenannte Querschnittsstudie handelt, ist es ohnehin nicht zulässig, daraus zu schlussfolgern, dass diese Studie der Beweis dafür sei, „dass Kokosöl beim Abnehmen wirksam hilft“ (2). In einer 1981 in derselben Fachzeitschrift erschienenen Studie (4) beschäftigten sich eine Forschergruppe um Dr. Ian Prior dann tatsächlich mit dem Körpergewicht und anderen Parametern von Bewohnern zweier polynesischer Inseln. Deren Ernährung basierte neben Fisch und Tara bzw. Brotfrucht auch auf Kokosnüssen – jedoch nicht auf Kokosnussöl. Und in der Tat: die untersuchten Populationen wiesen keinerlei Übergewicht auf. Allerdings lässt auch die Natur dieser Studie den Schluss, dass Kokosöl beim Abnehmen hilft, nicht zu, denn es handelt sich hierbei ebenfalls um eine Querschnittsstudie. Aussagen über Ursache und Wirkung können aus aus Daten, die von diesem Studien-Typus generiert werden, niemals abgeleitet werden. 

Zum Glück gibt es aber auch Untersuchungen, die den Effekt von Kokonussöl tatsächlich mit einem geeigneten Studien-Design getestet haben. Im Rahmen einer 2018 publizierten Interventionsstudie (5)  aus Brasilien verabreichte man jeweils 20 Probanden über einen Zeitraum von 12 Wochen entweder 30g Soja- oder Kokosöl pro Tag. Zusätzlich bekamen die Teilnehmer allgemeine Ernährungsempfehlungen an die Hand. Am Ende des Untersuchungszeitraums gab es keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen hinsichtlich der Veränderung des Körpergewichts oder des BMI, nur hinsichtlich des Taillenumfangs schnitt die Kokosöl-Gruppe signifikant besser ab. Eine ähnliche Studie (6), in der eine 8-wöchige Intervention mit 4 verschiedenen Pflanzenölen bei adipösen Frauen getestet wurde, konnte diesen Effekt auf den Taillenumfang bestätigen. Allerdings wies die Kokosöl-Gruppe im Vergleich mit den anderen 3 Studienarmen eine signifikant niedrigere Kalorienzufuhr auf, was mit hoher Wahrscheinlichkeit einen großen Anteil daran hatte, dass diese Probandengruppe den größten Rückgang an Körpergewicht und Taillenumfang zu verzeichnen hatten. 

Diese Ergebnisse stehen im Widerspruch zu den Resultaten einer Studie aus den USA (7), die mithilfe eines sogenannten Cross-over-Designs Kokosöl und Sonnenblumenöl bei 14 in der Menopause befindlichen Frauen gegeneinander antreten ließ. Am Ende des Versuchszeitraums (je zwei mal 4 Wochen für beide Öle) gab es bei den Probandinnen, die mit einem durchschnittlichen BMI von 26,4 kg/m² nur leichtes Übergewicht aufwiesen, hinsichtlich des Körpergewichts und des Bauchumfangs keine statistisch auffälligen Unterschiede zwischen der Kokosöl-Phase und der Sonnenblumenöl-Phase. 

Ist Kokosöl also das lang ersehnte Heilmittel gegen die Adipositas-Epidemie, das die Pfunde nur so schmelzen lässt? Um diese Frage hinreichend beantworten zu können, bedarf es weiterer Untersuchungen und Meta-Analysen, welche die Ergebnisse aller verfügbaren Studien anhand ihrer Aussagekraft gewichten und zu einander ins Verhältnis setzen. Solche Arbeiten liegen Stand heute noch nicht vor. Was sich aber bereits heute mit Gewissheit sagen lässt, ist, dass im Netz und anderswo mehr gefühlte Wahrheiten als wissenschaftliche Fakten über Kokosöl verbreitet werden. Und dass Kokosöl beim Abnehmen hilft, ist möglicherweise eine dieser gefühlten Wahrheiten. 

Quellen:

  • www.instyle.de/beauty/abnehmen-mit-kokosöl
  • www.kokosoel.info/abnehmen-erfahrungen-und-einnahme.html
  • Shorland FB, Czochanska Z, Prior IA. Studies on fatty acid composition of adipose tissue and blood lipids of Polynesians. American Journal of Clinical Nutrition 1969; 22(5): 594-605
  • Prior IA, Davidson F, Salmond CE, Czochanska Z. Cholesterol, coconuts, and diet on Polynesian atolls: a natural experiment: the Pukapuka and Tokelau island studies. American Journal of Clinical Nutrition 1981; 34(8): 1552-61
  • Assunção ML, Ferreira HS, dos Santos AF, Cabral CR Jr, Florêncio TM. Effects of dietarycoconut oil on the biochemical and anthropometric profiles of women presenting abdominal obesity. Lipids 2009; 44(7): 593-601
  • Oliveira-de-Lira L, Santos EMC, de Souza RF, Matos RJB, Silva MCD, Oliveira LDS, Nascimento TGD, Schemly PALS, Souza SL. Effects of Vegetable Oils with Varying Fatty Acid Compositions on Anthropometric and Biochemical Parameters in Obese Women. Nutrients 2018; 20: 10(7) pii: E932; doi: 10.3390/nu10070932
  • Harris M, Hutchins A, Fryda L. The Impact of Virgin Coconut Oil and High-Oleic Safflower Oil on Body Composition, Lipids, and Inflammatory Markers in Postmenopausal Women. Journal  of Medicinal Food 2017; 20(4): 345-351
  • Foto © Anna-Ok/GettyImages

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