Sauerteig – gut für die Gesundheit ?

Die Verarbeitung von Getreide mittels Sauerteig war bereits im antiken Ägypten bekannt (1) und liegt seit Dezember letzten Jahres wieder richtig im Trend (2). Die Gründe hierfür sind vermutlich vielfältig.

Sauerteigbrot ist bekanntlich besser haltbar und schmeckt aromatischer als mit Hefe gebackenes Brot. Aber vor allem gesünder & bekömmlicher sollen Sauerteigprodukte im Vergleich mit herkömmlichen Backwaren sein. Die von Sauerteig-Fans angeführten Vorteile reichen von einer besseren Bioverfügbarkeit der enthaltenen Mineralstoffen bis hin zu einer besseren Blutzuckerregulation (3).

Doch um die verschiedenen Behauptungen beurteilen zu können, müssen wir uns zuerst vergegenwärtigen, was bei der Entstehung von Sauerteig vor sich geht.

 

Ein komplexer Gärprozess

Eine sog. Sauerteig-Matrix besteht aus einer Mischung aus Mehl und Wasser, die durch ein Ökosystem über mehrere Tage fermentiert, sprich vergoren, wird. Dieses Ökosystem enthält verschiedene Mikroorganismen. Das Geschehen wird dabei v.a. von Milchsäurebakterien (lactobacillus sanfranciscensis) und gewissen Hefespezies (saccharomyces exiguus) dominiert. Auch Essigsäurebakterien der Gattung acetobacter können in einer Sauerteig-Matrix vorkommen, nehmen aber eher eine untergeordnete Rolle ein.

Die Umweltbedingungen sind sehr spezifisch und stressreich:
Die Konzentration an Kohlenhydraten schwankt (im Rahmen der „Fütterung“ mit frischem Mehl), das chemische Milieu ist sauer und der Sauerstoff knapp. Zahlenmäßig sind die bereits erwähnten Milchsäurebakterien klar in der Überzahl und deren Stoffwechsel zielt darauf ab, die vorhandenen Kohlenhydrate sehr schnell in organische Säuren zu überführen, was den niedrigen pH-Wert des Teiges erklärt.

Die enthaltenen Hefepilze, die später den Teig aufgehen lassen sollen, verfolgen hingegen eine andere Strategie: Sie stellen aus den verfügbaren Kohlenhydraten hauptsächlich Ethanol & Glyzerin her, akkumulieren diese Verbindungen und brauchen die angehäuften Vorräte anschließend auf. Die fermentierbaren Kohlenhydrate, die von den Mikroorganismen umgesetzt werden, entstammen dabei der im Mehl enthaltenen Stärkefraktion, ihre Konzentration ist in Roggen- & Weizenmehl allerdings relativ gering.

Durch vorheriges Keimen (oder durch Pilzbefall) kann der Gehalt jedoch höher ausfallen, da hierbei die korneigene enzymatische Maschinerie die langen Glucoseketten der Stärke zerkleinert. Während des Fermentationsprozesses sinkt der pH-Wert allerdings so stark ab, dass die im Getreide enthaltenen Enzyme nicht mehr arbeiten können, sodass dieser Prozess unterbrochen wird.

Auch die im Getreide enthaltenen Proteine werden im Zuge der Teigreifung abgebaut. Dabei kommen sowohl die im Getreide selbst enthaltenen Proteasen als auch mikrobielle Enzyme zum Einsatz. Da bei der Sauerteiggärung mit glutenhaltigen Getreiden auch das Klebeeiweiß zersetzt wird, geht dieser Prozess zulasten der Elastizität und der Viskosität des Teiges, allerdings trägt die stattfindende Umwandlung von Aminosäuren zur Geschmacksbildung bei.

Ein weiterer Aspekt ist der enzymatische Abbau des antinutritiven Faktors Phytinsäure. Dieser wird hauptsächlich durch die korneigenen Enzyme katalysiert, jedoch tragen auch die anwesenden Hefepilze zu diesem Prozess bei (4,5).

(1) Quelle: Poutanen et al. (2009)

Die Bioverfügbarkeit von Mineralstoffen

Als ein großer Vorteil von Sauerteigprodukten wird oftmals angeführt, dass diese im Vergleich mit konventionellen Backwaren eine höhere Bioverfügbarkeit von Mineralstoffen aufweisen würden. Diese würde durch den vermehrten Abbau von Phytinsäure realisiert.

Tatsächlich werden bei der  Sauerteiggärung die im Getreide enthaltenen Enzyme zusammen mit den Enzymen der enthaltenen Hefen die Phytinsäure zu anorganischem Phosphat und Phosphat-Estern abbauen. Im Zuge dieses Abbaus verliert die Phytinsäure ihre chelierende Wirkung und die gebundenen Mineralstoffe (v.a. zweiwertigen Kationen wie Eisen- und Zink-Ionen) werden besser verfügbar.

Gestützt wird diese These sowohl durch Ergebnisse aus Zellkultur- (6) als auch aus
Human-Studien (7). Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Aufnahme von Phytinsäure auch mit gesundheitlichen Vorteilen assoziiert wird. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Prävention vieler Zivilisationskrankheiten wie z.B. Nierensteine, Diabetes mellitus, Herzkreislauf- & Krebserkrankungen (8).

Sauerteigprodukte & der glykämische Index

Auch für die Behauptung, dass das Sauerteigverfahren einen positiven Einfluss auf den glykämischen Index hat, gibt es zahlreiche Hinweise in der wissenschaftlichen Literatur. So wird beispielsweise in einer Übersichtsarbeit von Fardet & Kollegen aus dem Jahr 2006 diskutiert, dass eine
Sauerteigführung zur Senkung des glykämischen Index von Brot geeignet ist, da die bei der Fermentation durch die Bakterien entstehenden organischen Säuren (Milchsäure, Essigsäure etc.) die
Geschwindigkeit der Magenentleerung drosseln können.

Des Weiteren führen die Autoren an, dass
die im Brot enthaltene Stärke für die Amylasen schlechter zugänglich sei, da die organischen Säuren die chemische Interaktion von Stärke und Proteinen verstärken könnten. Auch die Krumen Struktur von Sauerteigprodukten und die „Zähigkeit“ kommt einem sanften Anstieg des Blutzuckerspiegels entgegen, da so eine rasche Verdauung ebenfalls verhindert wird.

In dieser Übersichtsarbeit wird auch der glykämische Index verschiedener Sauerteigbrote aufgelistet. Mit Werten zwischen 48 und 54 fallen die getesteten Sauerteigbrote im Schnitt noch gerade so in die moderat glykämische Kategorie, manche weisen auch einen niedrigen glykämischen Index auf (9).

Fazit

Der Jahrtausende alten Tradition der Sauerteiggärung werden viele gesunde Eigenschaften zugeschrieben und es gibt eine ganze Fülle an wissenschaftlicher Literatur, die diese Behauptungen
belegt. Wenn das mal nicht Lust auf eine Scheibe Sauerteigbrot macht 😉

Quellen:
1. Poutanen K, Flander L, Katina K. Sourdough and cereal fermentation in a nutritional perspective. Food Microbiology 2009; 26:693–699
2. https://trends.google.de/trends/explore?date=all&geo=DE&q=sauerteig (06.05.2020)
3. https://aerabread.com/pages/warum-sauerteig
4. De Vuyst L, Van Kerrebroeck S, Leroy F. Microbial Ecology and Process Technology of Sourdough Fermentation. Advances in Applied Microbiology 2017; 100: 49-160
5. Gobbetti M, De Angelis M, Di Cagno R, Calasso M, Archetti G, Rizzello CG. Novel insights on the functional/nutritional features of the sourdough fermentation. International Journal of Food Microbiology 2019; 302: 103-113
6. Rodriguez-Ramiro I, Brearley CA, Bruggraber SF, Perfecto A, Shewry P. Assessment of iron bioavailability from different bread making processes using an in vitro intestinal cell model. Food Chemistry 2017; 228: 91-98
7. Nävert B, Sandström B, Cederblad A. Reduction of the phytate content of bran by leavening in bread and its effect on zinc absorption in man. British Journal of Nutrition 1985; 53: 47-53
8. Konietzny U, Jany KD, Ralf Greiner R. Phytate – An undesirable constituent of plant-based foods? Journal fur Ernährungsmedizin 2006; 8:18-28
9. Fardet A, Leenhardt F, Lioger D, Scalbert A, Rémésy C. Parameters controlling the glycaemic response to breads. Nutrition Research Reviews 2006; 19: 18-25

© Beitragsbild:  Plotnik01/pixabay

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