Vitamin D: Der Schlüssel zu einem längeren Leben?

Als Tropfen, Tabletten, Kapseln oder über angereicherte Nahrungsmittel – immer mehr Menschen nehmen Vitamin D in den verschiedensten Formen über ihre Ernährung zu sich. Macht es Sinn Vitamin D aufgrund einer potentiellen lebensverlängernden Wirkung einzunehmen?

Ist Vitamin D ein Vitamin?

Die Frage, ob es sich bei Vitamin D tatsächlich um ein Molekül mit Vitamin-Eigenschaften handelt, ist gar nicht so leicht zu beantworten. Klar ist zwar, dass ein stark ausgeprägter Mangel an Vitamin D zu typischen Mangelsymptomen wie Rachitis führt, jedoch ist der menschliche Organismus anders als bei allen anderen den Vitaminen zugeordneten Stoffen nicht auf die Zufuhr dieser Verbindung über die Nahrung angewiesen; schließlich kann er Vitamin D – im Gegensatz zu allen anderen 12 bekannten Vitaminen – bei Kontakt mit Sonnenlicht selbst synthetisieren. Da es sich chemisch gesehen bei Vitamin D um eine Verbindung handelt, die eng mit Androgenen, Östrogenen, Mineralcorticoiden wie Aldosteron oder auch Cortisol verwandt ist (allen gemein ist die Steroid-Grundstruktur, die auch hormonelle Effekte ausübt), wird Vitamin D auch oft als „Sonnen-Hormon“ bezeichnet. Lange Zeit war neben dem Einfluss auf die Calcium-Homöostase (und damit auf die Knochengesundheit) – nur wenig bekannt über die Aufgaben von Vitamin D, das wir aus Cholesterin bei Kontakt mit UV-B-Strahlung selbst bilden können. Nach und nach wurden jedoch immer mehr Zielorgane des Sonnen-Vitamins erforscht, sodass man heute man davon sprechen kann, dass neben dem Knochen auch Darm, Niere und Lunge zu den Organen zählen, auf die Vitamin D Effekte ausübt.

Neben dem typischen Mangelsymptom der Rachitis gibt es noch zahlreiche weitere Erkrankungen, die zwar nicht als Vitamin D-Mangelkrankeiten im klassischen Sinne gelten, jedoch möglicherweise durch zu niedrige Vitamin D-Spiegel ausgelöst oder begünstigt werden. Dazu zählen neurologische Störungen wie Depressionen, erhöhte Infektanfälligkeit oder auch Erkrankungen des Herzkreislaufsystem. Auch schwere Verläufe von Covid-19 sind möglicherweise u.a. durch eine ungenügende Versorgung mit Vitamin D begünstigt. 

Betrachtung von Morbidität und Mortalität

Doch wie sieht es nun mit dem Effekt von Vitamin D auf das Risiko für Morbidität und Mortalität aus? Nun, Beobachtungsstudien zeigen, dass Menschen mit einem niedrigen Vitamin D-Spiegel ein niedrigeres Sterblichkeitsrisiko haben als ihre Mitmenschen mit höheren Vitamin D-Spiegeln.  Interessanterweise geht ein zu stark erhöhter Vitamin D-Spiegel ebenfalls mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko einher, wie eine schwedische Kohorten-Studie zeigt. Der Zusammenhang zwischen Vitamin D-Status und der Wahrscheinlichkeit zu sterben, ist also U-förmig, wobei ein Spiegel von ca. 75 nmol/L (ca. 30 ng/mL) mit dem niedrigsten Mortalitätsrisiko assoziiert ist.

Fazit

Aus dieser Art von Studien abzuleiten, dass Vitamin D das Leben verlängert, wäre jedoch etwas zu kurz gegriffen, denn eine umgekehrte Kausalität, sprich, dass ein besserer Gesundheitszustand zu höheren Vitamin D-Konzentrationen führt ist hier genauso denkbar. Außerdem kann ein statistischer Zusammenhang natürlich immer auch ein reines Zufallsprodukt sein und muss nicht zwingend einem Kausalzusammenhang geschuldet sein. Glücklicherweise gibt es zu dieser Fragestellung inzwischen viele Interventionsstudien sowie einige Meta-Analysen. Eine dieser Übersichtsarbeiten ist ein Cochrane-Review aus dem Jahr 2014, das 56 Interventionsstudien zusammenfasste und in dem die in Kohortenstudien beobachteten Effekte bestätigt wurden: Probanden, die Vitamin D verabreicht bekamen, lebten länger als diejenigen, die den Kontrollgruppen zugelost wurden und kein Vitamin D bekommen hatten. Die erwähnte Studie bewertet den Nutzen allerdings als vergleichsweise gering: um im Zeitraum von 5 Jahren ein Leben zu retten, müsse man 150 Menschen mit Vitamin D behandeln, schlussfolgern die Autoren. Außerdem muss beachtet werden, dass die lebensverlängernde Wirkung von Vitamin D-Supplementen nur bei Vitamin D3 zu verzeichnen war, nicht jedoch für Vitamin D2. Ein im selben Jahr im British Medical Journal erschienener Übersichtsartikel bestätigt dies: nur für Vitamin D3 konnte das Risiko in den betrachteten Interventionsstudien signifikant um etwa 11 % gesenkt werden, im Falle von Vitamin D2 gab es keinen signifikanten Effekt auf die Sterblichkeitsrate.

Kann Vitamin D also das Leben verlängern? Möglicherweise. Doch den Effekt genau zu beziffern, ist bisher nur mit Einschränkungen möglich und unterschiedliche Autoren kommen bezüglich dieser Fragestellung zu unterschiedlichen Ergebnissen. Bei der Supplementierung von Vitamin D ist jedoch – genau wie bei allen anderen fettlöslichen Vitaminen – zu beachten, dass eine etwaige Überdosierung nicht einfach so über den Harn ausgeschieden werden kann, sondern sich im Körper anreichern kann. Es ist daher ratsam, vor dem Beginn einer Supplementierung den Vitamin D-Spiegel ärztlich bestimmen zu lassen, um so eine mögliche Überdosierung zu vermeiden.

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